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Impulse

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Dr. Jana Kittelmann

Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park & Schloss Branitz

Möglichkeiten der Repräsentation
von Nachlassarchiven im Web

[in Zusammenarbeit mit Christoph Wernhard]

Mit dem digitalen Editionsportal www.pueckler-digital.de wollen wir aus der Archivpraxis berichten und zugleich beispielhaft zeigen, wie man mit wenig Ressourcen und einfachen Mitteln wertvolles, bislang nur am Standort recherchierbares Material systematisch erschließen und digital zugänglich machen kann. Anlass ist die Erschließung eines Bestandes aus dem familiären Umfeld des Gartenkünstlers und Schriftstellers Hermann von Pückler-Muskau (1785–1871). Der Erschließungsprozess zielt auf unterschiedliche Nutzungsformen, die kurz- und langfristig sind:

  • Präsentation im Web. Die in den Metadaten enthaltene Information wird als Hypertext im Web veröffentlicht, für ausgewählte Briefe ergänzt durch Grundtranskriptionen und Digitalisate in verschiedenen Auflösungen. Es werden verschiedene Navigationsmöglichkeiten über Hyperlinks zur Verfügung gestellt, die jedoch entsprechend der Grundkonzeption von HTML beim Entwurf der Webseiten fest bestimmt werden: Beispielsweise lassen sich Übersichten über Teilbestände der Briefe entsprechend verschiedener, aber fest vorgegebener Ordnungskriterien anzeigen. Die Web-Präsentation ist ohne weitere Hilfsmittel mit einem Web-Browser über das Internet zugänglich. Typischerweise finden Nutzer die Webseiten als Ergebnisse einer stichwortbasierten Suche mit einer Suchmaschine. Auf diese Weise werden die Branitzer Bestände auch Nutzern bekannt gemacht, die nur nach relevanten Schlüsselworten gesucht, jedoch keine Kenntnis von den Beständen und keine explizite Archivsuche vorgenommen haben. Die Web-Präsentation kann die Arbeit im Archiv begleiten und vorbereiten.
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  • Export in den zentralen Verbundkatalog für Autographen (Kalliope). Mit dem Eintrag unserer Metadaten in Kalliope machen wir das Material für Recherchen und Forschung in diesem Kontext verfügbar. Wir nutzen die Offline-Importschnittstellen von Kalliope, da sie uns Flexibilität in der Modellierung und Pflege der Metadaten erlaubt, wie die Generierung der verschiedenen hier beschriebenen Anwendungen sowie komplexere Konsistenzprüfungen. Unser System stellt die Metadaten in der von Kalliope benötigten Variante des Formats EAD (Encoded Archival Description) als XML-Dateien zur Verfügung.
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  • Schnittstellen zu Technologien des Semantischen Web. Wir möchten zukünftige Entwicklungen und Web-Anwendungen unterstützen, indem wir unsere Metadaten im RDF-Format als Web-Dokumente zur Verfügung stellen. Die Metadaten können dann mechanisch eingelesen und in zukünftigen Anwendungen des Semantischen Web mit anderen Wissensquellen verknüpft werden, etwa mit der Gemeinsamen Normdatei (GND), die ihre Datensätze auch im RDF-Format zur Verfügung stellt. Die konsequente Verwendung von dauerhaften und globalen Objektidentitäten in unserem Modell folgt der Grundstufe in der Architektur des Semantischen Web, wo diese als Uniform Resource Identifier (URI) bezeichnet werden.
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  • Pflege der Daten als relationale Datenbank. Das auf dem mathematischen Konzept der Relation beruhende relationale Datenmodell erlaubt es, die an die Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA 2010) angelehnte konzeptuelle Modellierung unserer Metadaten in ein relationales Datenbankschema zu übertragen. Wir verwenden eine entsprechende Repräsentation unserer Metadaten als relationale Datenbank zur hausinternen Pflege. Über Schnittstellen enstprechend dem SQL-Standard wird diese Datenbank mit den Programmen zur Generierung der Anwendungssichten verbunden. 
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  • Druckdokument. Neben reinen Metadaten umfasst das Projekt Grundtranskriptionen. Eine Publikation des Verzeichnisses der Briefe in einer linearisierten Anordnung mit diesen Transkriptionen als Druckschrift ist geplant. Die Grundlage hierzu kann unsere zentrale Modellierung als Dokument im Format des weitverbreiteten freien Textverarbeitungssytems Latex liefern, aus dem sich wiederum PDF-Dokumente als Druckvorlage erzeugen lassen.

 

Unser Gegenstandsbereich umfasst Briefe und andere Archivalien, Personen, Orte, Zeitpunkte und -räume, historische und persönliche Ereignisse sowie Archivstandorte. Wir verwenden für diesen Gegenstandsbereich eine eigene konzeptuelle Modellierung, die sich an den im deutschsprachigen Raum maßgeblichen Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA 2010) orientiert, jedoch an unsere konkreten Anforderungen angepasst ist und sich leicht in ähnliche Modelle abbilden lässt. Eine Spezifikation unserer Modellierung wird als natursprachlicher Text veröffentlicht, begleitet von maschinenverarbeitbaren Dokumenten für unterschiedliche Anwendungen: einem in SQL spezifizierten relationalen Schema, einem RDF-Schema sowie einer OWL-Ontologie.

Bei Metadaten zu Archivmaterial wie Korrespondenzen ergibt sich ein bestimmtes Zusammenspiel von normierten Fakten und Zusatzinformation, die entsprechend den RNA in Bemerkungen als freier Text ausgedrückt werden. Beispielsweise lässt sich das Entstehungsdatum eines Briefs normiert darstellen. Das Datum kann aber genau oder geschätzt sein. Es kann in unterschiedlicher Weise vom Verfasser angegeben worden sein, wie vollständig, unvollständig, fehlend oder auch falsch. In unserer Modellierung lassen sich solche häufig vorkommenden Varianten mit Hilfe von vorgegebenen Werten für begleitende Bemerkungen so ausdrücken, dass sie auch inhaltlich maschinell erfasst werden können.

Die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Projektverlauf stellen sich wie folgt dar: Das Ziel ist, Material aus einem Nachlassarchiv zugänglich zu machen. Der Bestand, den wir hier vorstellen, ist heterogen und umfasst über 2000 Briefe, Lebensdokumente sowie Manuskripte. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sind begrenzt. Eine historisch-kritische Edition des gesamten Bestands ist nicht verhältnismäßig. Es sollen unterschiedliche Anwendungen unterstützt werden. Anstelle eines geschlossenen Software-Systems ermöglichen offene Standards Anwendungen mit aktueller Standard-Software und bilden den Ansatzpunkt für künftige Entwicklungen, insbesondere im Bereich des Semantic-Web. Wir haben gesehen, dass vorhandene Standard-Modellierungen unseres Gegenstandsbereichs unsere Anforderungen nicht vollständig abdecken und mussten diese ergänzen. Darüber hinaus sind in unserer Repräsentation Metadaten verknüpft mit Informationen, die elektronisch verfügbar, aber semantisch nicht vollständig maschinell verarbeitbar sind, wie Grundtranskriptionen und Digitalisate. Der Erschließungsprozess umfasst mehrere Stufen, die softwareseitig unterstützt werden: Erfassung der Metadaten, Erstellung von Grundtranskriptionen und Kommentaren, Zusammenstellung von Personen- und Ortsdaten, Verknüpfung mit Normdaten (GND, Wikipedia, WW-Person), sowie die Erstellung und Präsentation von Digitalisaten.

 

Literaturhinweis. Jana Kittelmann und Christoph Wernhard: Semantik, Web, Metadaten und digitale Edition: Grundlagen und Ziele der Erschließung neuer Quellen des Branitzer Pückler-Archivs. In: Irene Krebs (Hrsg.): Resonanzen. Pücklerforschung im Spannungsfeld zwischen Kunst und Wissenschaft. Berlin, 2013. (im Druck)

Kurzbiografie

Dr.phil. Jana Kittelmann studierte Neuere deutsche Literatur, Geschichte und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte dort mit einer Arbeit über Reisebriefe Hermann von Pückler-Muskaus und Fanny Lewalds. Sie war Postdoc-Stipendiatin des Deutschen Literaturarchives Marbach und der Klassik Stiftung Weimar sowie Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle Pückler-Archiv der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park & Schloss Branitz im Projekt: „Systematische Erschließung neuer Quellen des Branitzer Pückler-Archivs“. Ihre Forschungsgebiete umfassen u.a. die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, Editionsphilologie, Digitale Briefeditionen, Wissensrepräsentation und Diskurse der Materialität.